Konsens in Lehrsituationen in denen Schüler_innen als Demo-Bottoms hinzugezogen werden
Gastbeitrag von fairydance
Konsens in Lehrsituationen, in denen Schüler_innen als Demo-Bottoms hinzugezogen werden:
Hürden für Schüler_innen Grenzen zu setzen, wenn sie als Demo-Bottoms hinzugezogen werden
Ich erwarte von Lehrpersonen, dass ihnen klar ist, dass es viele Faktoren gibt, die es für teilnehmende Bottoms schwer machen können, ihre Grenzen zu realisieren und/oder zu verteidigen, wenn sie unvorbereitet für eine_n bislang unbekannte_n Lehrer_in demo-bottomen. Um nur ein paar zu benennen:
- freezing (erstarren) als eine Reaktion, wenn etwas unerwartet intim oder intensiv wird
- einer technischen Demonstration zuzustimmen und perplex über die Intensität zu sein, die die Lehrperson initiiert
- der Lehrperson einen Vertrauensvorschuss zu geben und daher nicht im Verteidigungs-Modus zu sein
- kein Gewese vor den anderen Teilnehmenden machen zu wollen, vielleicht auch Sorge zu haben, sonst von ihnen ausgeschlossen oder als 'Drama Queen' oder ähnliches dargestellt zu werden
- sich geehrt zu fühlen, zum Vorführen gebeten zu werden, und daher ein bisschen langsamer darin zu sein, die eigenen Grenzen zu bemerken und das in Nein-Sagen zu übersetzen
- besser vorher verhandeln zu können als während einer Session
- im Lern-Modus zu sein, in dem man sich herausfordern lassen will, was es schwierig machen kann, sofort klar zu haben, dass was zu weit geht
- von der Lehrperson eingeschüchtert zu sein
- ein_e gute_r Schüler_in sein zu wollen
- früher (in der Schule oder später) schlechte Erfahrungen damit gemacht zu haben, einer Lehrperson zu widersprechen (Stichwort: 'Widerworte geben')
- sehr devot zu sein
- faktisch durch Körpersprache Grenzen zu setzen, die der_die Lehrer_in entweder mangels vorherigen Austauschs nicht erkennt oder nicht wahrnimmt, weil er_sie auf die anderen Schüler_innen konzentriert ist
- und viele, viele weitere.
Risiko-Reduktion
Lehrpersonen sollten - als die Personen, die den Unterrichts-Rahmen gestalten, und damit mehr Verantwortung und Ressourcen zur Verfügung haben - die Verantwortung übernehmen, dieses aus den beschriebenen Barrieren folgende erhöhte Grenzüberschreitungsrisiko weitmöglichst zu reduzieren. Natürlich haben Bottoms auch Eigenverantwortung bzw. können zu ihrem Selbstschutz beitragen, wenn sich Lehrpersonen daneben benehmen. Dafür sind wahrscheinlich die Reflexionsfragen übertragbar, die ich im anderen Writing beschrieben habe. Dennoch sehe ich hier die größere Verantwortung bei denen, die den Raum maßgeblich gestalten, also den Lehrpersonen und auch denen, die die Lehrpersonen einladen, indem sie diesen eine entsprechende Policy mitteilen und für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen. Im Folgenden meine Sicht/Vorschläge:
- Professionelle Lehrpersonen sollten, wenn irgend möglich, eine_n eigene_n Bottom mitbringen, mit der_dem sie gute Kommunikation etabliert haben. Wenn sie dann trotzdem manche Dinge an Schüler_innen vorzeigen wollen, wird es für die Schüler_innen viel einfacher sein, das abzulehnen, ohne das Gefühl zu haben, dass sie sich um ihren Teil der Arbeit drücken.
- Wenn der_die Lehrperson eine_n Teilnehmende_n als Demo-Bottom heranziehen möchte, sollte er_sie es sehr niedrigschwellig für Teilnehmende machen, das abzulehnen.
- Das geht unter anderem, indem er_sie nach Freiwilligen fragt, anstatt einzelne Teilnehmende herauszugreifen.
- Oder indem in einer Pause gefragt wird oder zu einer anderen Zeit, wo die Person nein sagen kann, ohne dass die Gruppe zuschaut, und in der die gefragte Person auch Zeit hätte darüber nachzudenken.
- Und Lehrpersonen sollten Schüler_innen verbal dazu ermutigen, nein zu sagen, wenn sie das nicht machen wollen. Idealerweise sollte am Anfang des Unterrichts klar gesagt werden, dass es Teil der Aufgabe von Bottoms ist, Bescheid zu sagen, wenn etwas nicht für sie funktioniert, und dass die Lehrperson es sehr schätzt, wenn Bottoms das tun, selbst wenn sie sich dabei gegen bzw. kritisch über etwas äußern, was die Lehrperson tut. Das sollte dann natürlich auch der tatsächlichen Praxis der Lehrperson entsprechen. Und wenn die Lehrperson eine_n Schüler_in fragt, etwas an ihr_ihm vorzeigen zu können, sollte die Frage so formuliert sein, dass es leicht ist abzulehnen (z.B.: Hast Du Lust, dass ich xyz an Dir vorzeige? Ich kann auch wen anders fragen, wenn Du nicht magst.)
- Und die Lehrperson sollte transparent darüber sein, was der_die Schüler_in zu erwarten hat, wenn sie_er sich zur Verfügung stellt, also zum Beispiel etwas Technisches, etwas Sexuelles, Überwältigung etc.
- Oh, und was ich erstmal vergessen hatte zu schreiben, weil es eigentlich selbstverständlich sein sollte: Lehrpersonen sollten selbstverständlicherweise immer fragen, bevor sie Schüler_innen berühren.
Selbstverständlich hängt der Aufwand, der in das Senken der Schwelle, nein zu sagen, fließen sollte, auch davon ab, was genau vorgezeigt werden soll. Ich denke, es braucht mehr Vorsicht bei Dingen, die physisch riskant, intim oder session-artig sind, als zum Zeigen einer Einhandfesselung oder des Anbringens einer Upline. Aber das ist nur meine Sicht und für andere könnte es anders sein. Wir sollten auch berücksichtigen, dass für Leute, die sich viel mit Bondage beschäftigen, etwas viel weniger intensiv sein kann, als es für Leute ist, die seltener (in einem bestimmten Stil) fesseln. Insofern finde ich Vorsicht besser als Nachsicht. Ah, und was ich vergessen habe: Wenn es eine bereits etablierte oder gewachsene Beziehung zwischen Lehrer_in und Schüler_in gibt, kann das auch was sein, was die beiden dann miteinander sehen müssten. Ich spreche hier eher über das Szenario eines_einer Gast-Lehrer_in.
Team teaching & als Lehrperson eine_n eigenen Bottom mitbringen
Sowieso denke ich, es sollte mittlerweile Standard sein, im Unterricht auch Lern-Angebote für Bottoms zu machen, wofür ein_e selbstbewusste_r und erfahrene_r Bottom in den Unterricht einbezogen werden sollte. Daher spricht viel dafür, ein Top-Bottom-Unterrichts-Team einzuladen, oder zumindest, wenn das nicht möglich sein sollte, die Lehrperson zu bitten, eine_n Demo-Bottom einzuladen, mit der_dem a) die Lehrperson vor dem Workshop gute Kommunikation etabliert (hat), und der_die b) auch Bottoming-Unterrichtsinhalte anbieten kann.
Das kann auch einer weiteren Dynamik entgegenwirken, die die Sache noch komplizierter machen kann, wenn Schüler_innen zum Vorzeigen genommen werden:
Randbemerkung: Schüler_innen, die sehr gerne zum Vorzeigen genommen werden wollen
Während es einerseits Schüler_innen gibt, die vielleicht lieber nicht zum Vorzeigen genommen werden wollen, oder zumindest nicht für eine bestimmte Art zu fesseln, wird es meistens andere geben, die das unbedingt gerne wollen. Wenn die Lehrperson nur andere Schüler_innen zum Vorzeigen holt, können die Schüler_innen, die das auch gerne möchten, sich ausgeschlossen fühlen oder darüber sogar Selbstzweifel entwickeln. Das könnte also zu einer nicht so wünschenswerten Gruppendynamik führen.
Wir sind alle Erwachsene und ich will hier überhaupt nicht Dynamiken zwischen den 'Erwählten' und den 'Vernachlässigten' mit Grenzüberschreitungen gleichsetzen. Aber als ich Tanzlehrerin war und manchmal alleine unterrichtet habe, habe ich versucht, diesen Dynamiken entgegenzuwirken, indem ich bewusst darauf geachtet habe, alle Schüler_innen zum Vorzeigen zu wählen, natürlich jeweils angepasst an ihr Lernniveau. Ich verstehe erst durch diese Diskussion, dass vielleicht nicht alle Schüler_innen darüber so glücklich gewesen sind, wie ich es gewesen wäre, die im Tanzunterricht immer sehr gerne für so was ausgewählt werden wollte. Das heißt, dass Fehler sogar aus den besten Absichten in punkto Gerechtigkeit zwischen den Schüler_innen passieren können.
Das heißt, vielleicht, wenn die Lehrperson den Schüler_innen anbieten will, zu erfahren, wie sie_er etwas fesselt (und ich schreibe 'wenn', weil Fesseln sehr intim sein kann und Lehrer_innen auch das Recht haben zu wählen, mit wem sie auf dieser Ebene interagieren wollen), könnte das in anderer Form angeboten werden, möglicherweise als einfaches Angebot, das manche Bottoms mit Begeisterung annehmen werden und andere ablehnen werden, entweder für die ganze Gruppe oder beim Rumgehen, während die Lernenden fesseln.





