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Rigger-Einsteiger-Gedanken 

  • von Fushicho
  • 15 Apr., 2019

Probleme, Hemmungen, Fragen und Schwierigkeiten als frisch gebackener Rigger.

Von: Haagenti (Sebastian Schroer)

Worte vorweg:

Seitdem ich im April des Jahres 2018 meine ersten Postings setzte, in denen ich ein Bunny suchte und ein bisschen über Einsteigerthemen sinnierte, haben sich bei mir einige Dinge geändert. Ich würde mich immer noch als Einsteiger, als Anfänger, bezeichnen, stehe aber nicht mehr vor einer riesengroßen Welt voller fremder Begriffe, unbekannter Menschen und der Frage wie ich in dieser Welt überhaupt die ersten Schritte gehen sollte.

Einige Fragen gingen mir damals als Einsteigerrigger durch den Kopf.  Fragen, die auch andere Einsteiger mit mir teilten. In Gesprächen unter uns Anfängern ergaben sich viele wiederkehrende Fragen und Themen. Nun bin ich bei weitem nicht in der Position von der Kanzel herab predigen zu können noch möchte ich dies. Dennoch glaube ich, dass es eine gute Idee sein kann einige dieser Grundgedanken und Gesprächsinhalte, die mich teils noch heute umtreiben, zu teilen.

Zu Bunnys habe ich nun mehrere „Guides“ für Einsteigerbunnys gefunden, nichts jedoch an geteilten Gedanken von Einsteigerriggern. Ich vermeide hierbei bewusst die Überschrift „Einsteigerguide“. Meiner Ansicht nach klingt „Guide“ immer nach „so, und genau so, macht man es, denn das steht in der Anleitung“. Nein, hierbei gibt es keine Anleitung. Jeder Mensch ist anders und findet seinen ganz individuellen Weg zum Thema Bondage. Letztendlich kann dies hier also nur eine sehr subjektive Darstellung meinerseits sein, die dem einen oder anderen vielleicht einen Anstoß geben kann - aber eben nicht muss.

Die Motivation – Warum fessele ich überhaupt?

Dieser Punkt ist eigentlich der Essentielle, der der über allem steht: Mit welcher Motivation wird das Seil überhaupt ergriffen?

Hier mag man die Nase rümpfen und sich fragen warum das eine so wichtige Frage sei. Das ist doch klar! Weil man….ja, was eigentlich? Gerne fesselt? Aber wie genau denn? Mit welcher Intention dahinter? Auf welche Weise möchte man fesseln?

Es gibt so viele Motivationen wie es Rigger gibt. Diese Motivation kann sogar rein von außen gesteuert sein, sprich, weil der Partner gerne gefesselt werden möchte.  Dann ist diese Motivation sogar fremdbestimmt, sofern man diese Leidenschaft so eigentlich gar nicht in der Form teilt und es „nur“ jemand anderem zuliebe tut.

Aber selbst wenn man gerne fesselt hat jeder von uns ganz unterschiedliche Motivationen dies zu tun. Die finden wir in vielen Gesprächen und Online-Beschreibungen auch wieder. Da muss man gar nicht lange suchen. Manch einen reizt und reicht die schnelle „Bettpfosten-Fixierung“ um dann entweder Sex zu haben oder in eine SM-Session zu wechseln. Der andere fesselt gerne auch jenseits des Bettes, hat aber am Ende die Fixierung des Partners im Sinn um, wie gerade erwähnt, darauf aufbauend etwas ganz anderes mit ihm anzustellen. Der nächste mag es schöne Knoten an den Körper des Partners anzubringen während dieser es genießt dafür herzuhalten um nach dem „finalen Knoten“ zum Kunstwerk geworden zu sein, das sich fotografieren lässt ehe dann fix abgefesselt wird. Und für jemand ganz anderes geht es um das Gesamtkonstrukt und die emotionale Verbindung von der ersten Berührung des Seiles auf der Haut des Partners bis zum gemeinsamen abkühlen.

All diese Motivationen sind valide, egal was irgendjemand anderes sagt oder was man in Diskussionen so liest! Am Ende geht es darum Spaß zu haben. Den eigenen Spaß und den gemeinsamen mit dem Partner. Dabei spielt es keine Rolle ob zweistündige Suspension-Sessions durchgezogen werden oder ob nach kurzer „Bettpfosten-Fesselung“ gevögelt wird. Wichtig ist lediglich, dass man sich selbst im Klaren darüber ist was man überhaupt möchte. Nur so kann man auch selbst definieren wo der Weg einmal hingehen soll. Und auch nur so kann man mit seinem Partner eben diesen Weg beschreiten, beziehungsweise überhaupt die Augen nach einem Partner offen halten und einen Fesselpartner suchen.

Der Fesselpartner

Fesseln geht zwar auch alleine, wird aber vermutlich für die wenigsten Rigger die Kernmotivation sein.  Meine war es zumindest nicht. Also möchte jemand gefesselt werden. Aber wer? Und wo findet man so jemanden?

Ein Hauptgewinn ist es natürlich wenn man einen Lebens(abschnitts)gefährten an seiner Seite weiß, der diese Vorliebe teilt. Das ist eine wunderbare Vorstellung aber kein „must-have“. Der Einstieg wird dadurch natürlich erleichtert, da eine Partnersuche entfällt – wenn dieser Beziehungspartner denn auch dieselbe Motivation verfolgt!

Wenn der Rigger nun gerne sehr langfristig Semenawa erlernen und fesseln möchte, dem Partner aber gar nicht der Sinn danach steht und er mit „Bondage“ die „schönere Bettfixierung“ als Vorspiel zum Sex verbindet, dann wird das vermutlich nichts. Dann muss entweder ein Kompromiss her oder ein weiterer Fesselpartner wird gesucht. 

Kompromisse finde ich hierbei persönlich schwierig. Letztendlich bedeutet ein Kompromiss bei diesem Thema, wie bei nahezu allen BDSM-Themen, das ein Partner entweder etwas mitmacht an dem er gar keinen Spaß hat oder der andere eine Neigung jemand anders zuliebe unterdrückt. Beides mag, gerade wenn eine Beziehung lange andauern soll, irgendwann ein kritischer Punkt werden. Am Ende ist das ein Thema, das jedes Paar unter sich ausmachen muss.

Wenn ein anderer Fesselpartner gesucht wird sollte man sich – und dies ist abermals wieder sehr subjektiv – klar machen was man von diesem möchte. Ein vergebener Rigger der ein Bunny sucht sollte deutlich kommunizieren wie er fesseln möchte - die Motivation eben - und was das „vergeben sein“ bedeutet. Möchte man wirklich nur fesseln? Soll das eine parallele Freundschaft + werden? Ist man in einer Poly- oder gar offenen Beziehung? 

Offene Kommunikation beugt hier allen nachträglichen Dramen vor. Natürlich können sich dann immer noch Dinge einfach ergeben. Das kann immer passieren. Es ist für ein Bunny aber doch etwas anderes wenn sie sich auf einen Einsteiger-Rigger einlässt, denkt, dass es rein um eine Fesselpartnerschaft geht und dieser will dann, sobald das Bunny gefesselt ist, die Hosen runter lassen, weil er das als selbstverständliche Motivation hinter der Fesselung empfand.

Fragt aber auch euren Fesselpartner – das Bunny – nach seiner Motivation! Bei unserer Leidenschaft geht es um beide Seiten! Wie bei der Beziehungspartnerin oben beschrieben wird man auf keinen grünen Zweig kommen, wenn das Bunny ganz andere Bedürfnisse hat als der Rigger. Auch diese wollen klar kommuniziert werden. Erfragt sie, wenn das Bunny sie nicht klar mitteilt. Vielleicht ist das Bunny selbst Neuling? Vielleicht weiß er/sie noch gar nicht so genau was sie mag, wo die Grenzen liegen? Geht nicht davon aus, dass das Bunny stillschweigend schon weiß was Sache ist und eure Gedanken lesen kann.

Am Ende geht es um beidseitiges Vertrauen und beidseitige Bedürfnisse. Das Bunny ist, wenn auch der passive Part, wenn auch meistens Bottom, wenn nicht gar der masochistische Part, nicht willenlos das „Hinhalteobjekt“ des Riggers. Ihr als Rigger seid hingegen auch nicht die reinen Dienstleister des Bunnys. Alles ist ein Wechselspiel und alles sollte miteinander harmonieren, zusammenspielen um für beide Seiten Erfüllung zu bringen. Das klappt wenn Vertrauen – gerade Vertrautheit – da ist. Das kommt nicht durch Worthülsen, sondern durch Gespräche, sich kennenlernen, miteinander Klartext reden und seine Wünsche und Vorstellungen artikulieren und eben auch mal gemeinsam fesseln um zu schauen wie es sich so anfühlt.

Und wenn es mal nicht zusammen passt? Dann passt es nicht zusammen! Vielleicht bemerkt man das gerade ganz am Anfang, wenn man wirklich frisch einsteigt und vor allem Grundknoten und Grundfesselungen lernt, noch gar nicht. Wenn man aber wirklich bemerkt – und Gespräche auch nichts ändern konnten - , dass es nicht zusammen passt, dass Vorstellungen auseinanderklaffen oder das es einfach zwischenmenschlich nicht harmoniert, dann sollte man loslassen, auch wenn das bedeutet, dass man erst einmal ohne Partner da steht und neu die Augen offenhalten, neu suchen, muss. Nichts rennt weg. Lieber an etwas unharmonischem Festhalten als erstmal gar nicht mehr zu fesseln? Tut euch das nicht an. Das nimmt langfristig, wenn nicht sogar mittelfristig, den Spaß am Bondage. Denn was bringt es noch irgendwie fesseln zu können aber zu wissen, dass es mit diesem Partner beidseitig eigentlich keinen Spaß (mehr) macht? Die Angst vor der neuen Suche? Das darf nicht der einzige Grund sein um bei einem Partner zu bleiben.

Ich habe von einigen Riggern gehört, dass die Bunnysuche beschwerlich sein kann. Ja, kann sie. Das kenne ich auch. Sie kann frustrieren. Man kann sich online vorkommen als würde man quasi Bewerbungsgespräche - nicht als Bunny, als Rigger! - führen und sich anbieten. Aber mal ganz ehrlich: Wäre das nicht auch so, würde man einen neuen Tanzpartner suchen? In Online-Communitys kann immer der Eindruck entstehen, dass Menschen schnell „weggeklickt“ werden. Und manchmal hat man auch das Gefühl gar keine Chance zu bekommen, dass Bunnys vor allem erfahrene Rigger suchen, die mit einer Bildergalerie voller Shibari-Meisterwerke aufwarten. Ja, das gibt es auch, natürlich! Und wieder die Frage: Na und? Das gibt es in jedem paarbasierten Hobby. Das gibt es auch in jeder Partnerbörse.

Der beste Tipp, den ich dabei geben kann ist, sich klar zu artikulieren und nicht zu „faken“ oder zu „posen“. Tut nicht so als wäret ihr Rigger mit 20 Jahren Erfahrung, wenn ihr gerade erst eingestiegen seid. Tut nicht so als könntet ihr schon wer weiß was, was ihr aber eigentlich gar nicht beherrscht. Poser gibt es genug. Und sie fallen auf. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, nicht wenn man frisch auf das Profil klickt, aber spätestens wenn es dann ans Fesseln geht. Dass man mit Riggern nicht fesseln sollte, die potentiell gefährliche Fesselungen ohne Kenntnisse ansetzen um zu imponieren steht in jedem Bunnyguide. Das versaut euch nicht nur das eine Bunny. Das spricht sich auch herum und versaut euch jeden zukünftigen Fesselpartner. Seid lieber ehrlich. Sagt was ihr wollt (Motivation), was ihr für eine Partnerin sucht und wo ihr steht.

Erste Schritte – wo eigentlich anfangen?

Ich habe mir zuerst Bücher gekauft und auf Youtube geguckt. Mit meinem ersten Bunny, das mich nach langer Zeit überhaupt zum Thema Shibari brachte, habe ich dann auch versucht das was ich dort las und sah nachzuvollziehen. Und genauso schnell habe ich Youtube wieder ausgemacht und die Bücher zugeklappt.

Anleitungsvideos und Bücher möchte ich nicht per se verteufeln. Mir haben sie beim Einstieg aber nur wenig geholfen. Sie konnten zeigen was mal möglich ist, aber Verständnis wird nicht vermittelt. Selbst wenn in dem Video, oder in dem Buch, noch so penibel erklärt wird wie das Seil zu führen ist, so kann dort niemand auf Fragen antworten. 
Noch schlimmer: Individuelles kann nicht angepasst werden: Die Tension. Die Körpermaße des Bunnys. Wie die Haut beschaffen ist - ja, da gibt es Unterschiede. Wie sich die Seilführung aufgrund dieser Faktoren verändert. Wie sich die Tension wiederum verändert und wie man dies ausgleicht und anpasst.

Für mich sind Youtube, Vimeo und Bücher sehr gut um Dinge nachzuschlagen, die ich in Workshops wirklich an Wissen vermittelt bekam. Auf Workshops lassen sich Fragen stellen. Dort sieht ein Trainer / Lehrer was ihr tut. Dort kann er individuelle Unterweisungen geben. Er kann mit euch sprechen. Wichtiger noch: Ihr könnt mit ihm sprechen! Tut das auch. Dafür ist der ja da. 

Ich bin selbst vermutlich ein grausig penetranter Schüler, der dutzendfach nachfragt weil er die Zusammenhänge verstehen möchte, der bohrt, der Dinge X mal unter Beobachtung wiederholen will und nach Feedback lechzt, nicht um überschwänglich gelobt zu werden, sondern um potentielle Fehler auszumerzen und Dinge besser zu machen. Ein guter Lehrer wird seinen Spaß mit Schülern haben bei denen er Leidenschaft und Herzblut erkennen kann.

Die Diskussion „zahle ich jemandem Geld, der mir dann was beibringt was ich auch kostenlos sehen könnte“ ist eine, die zuletzt ein paarmal in Diskussionen um mich herum hochkochte. Ich bin selbst beruflich Trainer / Ausbilder und muss sagen: Umsonst ist nicht einmal der Tod. Qualität kostet Geld. Unsere Leidenschaft kann gesundheitsgefährdend sein, wenn sie nicht adäquat verfolgt wird. Überkopfsuspension aus Youtube gelernt? Na herzlichen Glückwunsch, wenn das Bunny runterknallt und sich die Halswirbel bricht nur weil man Geld sparen wollte und deshalb auf Youtube / Vimeo Videos setzte in denen man die Hälfte nicht richtig sehen konnte.

Wie bei der Partnerwahl sollte man beim Lehrer, bzw. Workshopleiter, auch schauen ob dort das unterrichtet wird was mit den eigenen Vorstellungen übereinstimmt. Letztendlich bringt es auch dort nichts Workshops zu Stilen zu besuchen, die man so gar nicht fesseln möchte. Zu den meisten Workshops gibt es Beschreibungen. Die Anbieter antworten in der Regel auch alle auf persönliche Ansprachen und Rückfragen. Auch als Trainer hat man letztendlich keinen Spaß daran Schüler vor Ort zu haben, die eigentlich gar nicht das lernen möchten was man ihnen anbietet. Ihr seid schon mittendrin ebenso frustriert wie der Workshopanbieter. Und rein Geld aus der Tasche ziehen möchte euch ein guter Trainer auch nicht.

Youtube und Bücher kommen dann danach wieder zum Tragen. Sie sind eine gute Möglichkeit um gelerntes noch einmal nachzuschlagen oder sich nachträglich noch einmal anzuschauen. Wenn man auf einer Videostreamingplattform noch einmal genau die Fesselung sieht, die man eine Woche zuvor auf einem Workshop lernte, dann kommt noch einmal ein „aha“-Effekt.

Diese Dinge sind in der Einsteigerphase also eher eine Nachschlagemöglichkeit und nicht zum initialen Lernen geeignet. Später, mit Erfahrung, wenn man als Rigger weiß worauf zu achten ist, dann können gute (!) Videos auch als Quell für neues Wissen oder neue Variationen bereits bekannter Fesselungen dienen. Dann ist man jedoch nicht mehr in der Einsteigerphase!

Und letztendlich kann ich jedem nur empfehlen sich auch jenseits von Workshops mit anderen Bondage-Begeisterten auszutauschen, im Gespräch zu bleiben und die Augen offen zu halten.

Dabei solltet ihr nur immer im Kopf behalten, dass ihr auf einem Bondage-Treff dutzende Menschen treffen werdet, die aus ganz unterschiedlichen Motiven ganz unterschiedlich fesseln. Wenn jemand im Gespräch Tipps gibt wie ihr fesseln „solltet“ – ein ohnehin kritisches Thema zu dem ich gleich noch komme – dann bedenkt: Vielleicht fesselt diese Person mit einer ganz anderen Intention.

Dann kommt dieses ekelige „man sollte“. Man „sollte“ gilt bei Sicherheitshinweisen. Wer euch sagt, dass nur diese eine einzige Art eine Fesselung zu setzen die richtige ist, weil man, beispielsweise, immer das Seil links und nichts rechts herum zu führen hat, dann nickt und hört nicht weiter zu. Das mag hart klingen. Soll man Tipps also ignorieren? Nein. Ihr sollt pseudo-Zurechtweisungen ignorieren. Es gibt zu ein und derselben Fesselung mitunter dutzende Wege das Seil zu führen, ebenso wie es dutzende Wege gibt einen Knoten zu setzen. Wer sagt, dass seine Art die einzig richtige ist – am besten noch indem darauf hingewiesen wird wer es nicht alles „falsch“ macht -  und sich dabei nicht auf reine Sicherheitsaspekte bezieht, der versucht gerade vermutlich lediglich zu prahlen und euch einen vom Pferd zu erzählen.

Jemand der es gut mit euch meint wird anerkennen, wenn nicht sogar erwähnen, dass es viele Wege nach Rom gibt, damit auch viele Wege eine Fesselung anzubringen. Ich betone noch einmal: Solange sie sicher ist!

Ruhe bewahren - Kein Meister fällt vom Himmel

Ich hörte schon mehrfach „ist doch alles ganz easy“ und „der Anfang ist doch total leicht“ oder „das lernt man von einmal zugucken“. Nein. Einfach nein.

Mir ist das Gefühl bekannt geradezu erschlagen und beinahe eingeschüchtert zu sein. Tausende Fachbegriffe - auch noch japanisch –  dutzende verschiedene „Ryus“  - und was ist das überhaupt? – angebliche „Einsteigerfotos“ die aussehen als hätte derjenige schon 10 Jahre Erfahrung weil man komplexe Karadas sieht und am Ende sitzt man in einer Show, schaut einer 30 Minuten Semenawa-Vorführung zu und denkt sich „wie soll ich das denn lernen? Ich bekomme ja gerademal einen Double-Column-Tie und Bunny-Ears hin?“

Macht euch nicht verrückt! Lernt sukzessive, eins nach dem anderen.
Wer sagt, dass der Einstieg bei ihm total easy-peasy gewesen sei, der war entweder absolut talentiert, hatte vorher schon Kenntnisse, erinnert sich gar nicht mehr richtig daran wie er mal einstieg oder versucht zu imponieren.  

Am Anfang – und eigentlich bin ich  da immer noch – hatte ich das Gefühl, dass es entweder total erfahrene Rigger gab oder…mich. Dazwischen so gar nichts. Das mag etwas damit zu tun haben, dass sich als „Einsteiger“ zu bezeichnen für manche Menschen wie eine Selbstkränkung klingt. Das kann man doch nicht zugeben! Was ein Unsinn. Auf der anderen Seite hat es aber auch etwas damit zu tun, dass Einsteiger schnell abgeschreckt, bzw. eingeschüchtert sein können und nach dem ersten Workshop, oder dem ersten Besuch auf einem Fesseltreff, eben nie wiederkommen, da sie denken „das bekomme ich nicht hin“.

Die Wahrheit ist: Niemand kann erwarten, dass das was Rigger mit jahrelanger Erfahrung da tun und vorführen sofort, binnen Wochen oder weniger Monate, zu erlernen ist. Das was es zu lernen gilt lernt sich nicht über Nacht. Das fliegt einem nicht einfach so zu. Es bedarf Lernvorgänge zu denen Wiederholungen und Verständnis gehören. Training gehört dazu, auch wenn Training erst einmal nach Mühe klingt. 

Die Technik zu lernen ist schon eine Herausforderung. Die will wiederholt und wiederholt werden, bis Fesselungen sitzen ohne das man hinsehen muss. Dann kommt die Art des Fesselns, die Interaktion mit dem Bunny, dazu. Auch das will wieder gelernt und erfahren werden.

Einen TK technisch zu setzen ist ja am Ende das eine. Das andere ist es diesen auch mit Effekt fesseln zu können. Ich selbst fessle nicht für schöne Knoten, musste meine eigenen Erwartungen aber auch schon mal bremsen da etwas, das technisch nicht sicher sitzt, wo man noch nachdenken muss, auch nicht mit Gefühl gefesselt werden kann. Zumindest vielleicht nicht so wie man es gerne getan hätte. 

Frust kann da aufkommen. Frust entsteht aber meist dann, wenn die eigene Erwartungshaltung nicht mit der Realität zusammenfällt. Eine unrealistische Erwartungshaltung kann der Motivation das Genick brechen. Leidenschaft und Herzblut ist gut. Übermotivation und Zwang ist, wie bei allem, eher schlecht. Wenn man sich für eine neue Sportart begeistert, etwa für Marathonläufe, dann beginnt man auch nicht gleich mit dem Berlin-Marathon ohne Training, scheitert erwartbar und sagt dann „ich habs versucht, bin gescheitert, war wohl nichts für mich.“

Etwas nicht beim ersten Mal zu schaffen gilt in unserer Berufswelt oft als Versagen. Andere Gesellschaften sind da weiter: Versagen bedeutet, dass etwas nicht so ausging wie man es sich vorstellte. Das kann neue Perspektiven eröffnen. Es sagt einem auch etwas über sich selbst. Es ist keine Niederlage – und der Begriff „Versagen“ ist viel zu hart. Es ist eine Erfahrung und ein Wissensgewinn.

Beim Übergang vom technischen zum wesentlich emotionaleren Fesseln hatte und habe ich noch Schwierigkeiten, deren Ursache mir viel über mich selbst beibrachte und so neue Perspektiven eröffnete diesen „Knoten zum Platzen“ zu bringen. Ohne erst einmal zu scheitern wäre mir hier einiges gar nicht bewusst geworden, hätte ich auch einiges über mich selbst nicht erfahren.

Auch beim Lernen neuer Fesselungen hilft mir auf der einen Seite ein Verständnis dafür warum ich das Seil wie führe, auf der anderen Seite aber auch mal zu sehen wie es nicht geht und was dann am Ende dabei herauskäme. Habt also keine Angst Fehler zu machen, solange diese Fehler kein Sicherheitsrisiko darstellen.

Fazit – Bei allem ist der Weg das Ziel

Am Ende soll das was ihr tut euch und eurem Partner Spaß machen! Das ist der Hauptzweck hinter allem. Auch wenn Lernen Mühsam sein kann, Leidenschaft und Herzblut erfordert, soll das der erwartete Lohn sein. Und der stellt sich nicht erst nach 20 Jahren Fesselerfahrung ein. Der kann, und sollte sich, bei jeder Session einstellen. Auch dann wenn es an einem Abend mal nur um das gemeinsame Einspielen einer frisch gelernten Fesselung geht.

Der Weg ist das Ziel, nicht etwa die 45 Minuten Semenawa-Session mit Suspensions für die man erstmal 2 Jahre mühsam lernen muss. Wenn man die ganze Zeit denkt „bis ich das mal kann muss ich aber noch viel Schwitzen“ verpasst man was man die ganze Zeit schon praktiziert!

Jeder Neueinsteiger soll sich dabei gewahr bleiben, dass da noch viele andere sind, die sich dieselben Gedanken machen, die mal ein Seilende in der Hand haben und (noch) nicht wissen was sie gerade damit machen sollen, die einen Workshop besuchten und nicht gleich alles 100%ig umsetzen konnten, denen irgendwo ein Fehler unterlief und die kurzfristig zweifeln, denen vielleicht das Bunny wegbricht und die sich überlegen wie es nun weitergehen soll.

Jeder hat einmal angefangen. Bleibt einfach am Ball!

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Keines dieses Tools ersetzt eine Beratung / Therapie. Es kann zu Anwendungsfehlern kommen, wenn die Übungen ohne professionelle Anleitung durchgeführt werden. 



https://sexualtherapie-beziehungstherapie.de/uebungen/
BodyScan / Orgastische Welle / Orgasmic Yoga 

https://www.sexmedpedia.com/sensate-focus-uebungen/
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Sexuelle Erregungskurve, Erregungsreise / Öffnung 

Der Ursprung der Welt von Liv Strömquist   https://www.avant-verlag.de/comics/der-ursprung-der-welt/

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Yoni und Lingam Massage (die Massage der Genitalien)  z.B. in Form von "Handarbeitsabenden" die regelmäßig angeboten werden


Check-In mit deinem Genital  https://spuervertrauen.de/check-in-genital/


Übungen zur bewussten Körperwahrnehmung und zum In-Kontakt-Kommen mit deinem Genital  https://spuervertrauen.de/gratis-uebung-meditation-sexualitaet/


Vaginismus  https://de.wikipedia.org/wiki/Vaginismus


Ganz viele tolle kurze Veröffentlichungen jenseits des binären Geschlechtersystems:  https://www.transfabel.de/index.php?main_page=index&cPath=61_28


von Fushicho 27 Juni, 2023

Zu alt, zu arm, zu queer, nicht queer genug – auch wenn Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* oder inter* Menschen unter sich sind, fühlen sich nicht alle gleichermaßen willkommen und respektiert. 

Victoria spricht in diesem Podcast über ihre Erfahrungen innerhalb der queren Community, über schwarz sein und Tokenism, über Pansexualität und Sexualisiert werden, über Polyamorie und Slut-Shaming. 

Über White Passing und darüber, dass Schwarz keine Farbe ist. 

Vor allem aber darüber, dass ALLE Menschen lernen sollten einander zuzuhören, in einen echten Dialog miteinander zu gehen, voneinander zu lernen, übereinander zu lernen und niemand jemals "perfekt anti-diskriminierend" sein wird. 


von Fushicho 07 Feb., 2023
Mit anderen Frauen Sex haben ist völlig okay, aber mit einem anderen Penis nicht? Warum das ziemlich unlogisch ist erklären wir dir hier im Beitrag zur One Penis Policy.
von Fushicho 07 Feb., 2023
Was macht Sexualität aus und was macht Intimität aus? Oftmals wird in einer Beziehung vorausgesetzt, das klar ist wie der gemeinsame Sex oder die gemeinsame Intimität aussehen. Meistens lohnt es sich darüber zu sprechen!
von Fushicho 07 Feb., 2023
Eifersucht in offener oder polyamorer Beziehung ist ganz normal. Sie ist ein Gefühl wie jedes andere auch und möchte dir etwas über deine Ängste und Bedürfnisse mitteilen.
von Fushicho / Sexualberatung 27 Jan., 2022
Theoretisch haben wir alle in der Schule gelernt, dass es sexuell übertragbare Krankheiten gibt, welche das sind und wie man sich schützen kann. 

Ja. Theoretisch. Mehrheitlich waren diese Unterrichts-Situationen doch eher unangenehm, man war froh, wenn das Thema durch war und dachte sich: 

1.) Wird mir schon nicht passieren ich bin ja informiert 
2.) Wenn ich darauf achte Kondome zu nutzen, geht es schon gut 
3.) Das betrifft ja nur Leute, die rumhuren


Zu 1.:
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat 2016 die " Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen “ vorgestellt. Im Rahmen dieser Strategie wurde eine  Umfrage zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD)  unter knapp 5.000 Teilnehmern zwischen 18 und 75 Jahren durchgeführt. Ein Teil dieser Studie beschäftigt sich mit der Bekanntheit verschiedener sexuell übertragbaren Infektionen. 

HIV/AIDS war mit Abstand die bekannteste STI (71 Prozent). Danach folgt mit knapp 40 Prozent Gonorrhö (auch Tripper genannt) und mit gut 30 Prozent Syphilis. Etwa jedem zehnten Deutschen sind Chlamydien, Genitalherpes und Hepatitis B als Geschlechtskrankheiten geläufig. Seltener wurden Genitalwarzen, Filzläuse und Trichomonaden genannt. 

Vergleichen wir diese Ergebnisse mit den häufigsten Geschlechtskrankheiten Deutschlands: 
Chlamydien 
Trichomonas vaginalis 
Gonokokken /Gonorrhö (Tripper)

Sowohl Chalmydien, als auch die Trichomonaden sind nur mindestens jedem zehnten Deutschen geläufig.
Das ist ein Missverhältnis zwischen Häufigkeit und Bekanntheit. 


Zu 2.:

Kondome schützen sicherlich vor vielen sexuell übertragbaren Krankheiten. Allerdings können die Erreger auch über den Mund und die Hände übertragen werden, wenn diese Kontakt mit Genitalien haben.  
Der Blowjob gehört zu den zweit-beliebtesten Sexualpraktiken, wird aber nur in sehr seltenen Fällen mit einem Kondom praktiziert. 
Dass es für Oralsex an der Frau auch "Kondome" gibt, sogenannte Lecktücher (alternativ funktionieren auch aufgeschnittene Gummihandschuhe/ Frischhaltefolie) ist nur wenigen bekannt. 
Sich alleinig auf das Verwenden von Kondomen bei penetrativem Sex zu verlassen ist also keine gute Idee. 

Zu 3.: 
Das ist eine extrem Vorurteils-Behaftete Vorstellung. Geschlechtskrankheiten haben nichts damit zu tun "rumzuhuren" und dieser Begriff assoziiert, dass Huren (SexarbeiterINNEN, Prostituierte) grundsätzlich "schmutzig" und mit einem Risiko sich zu infizieren versehen wären. Das ist ein Stigma. Und es entspricht keiner Realität. 
Jeder Mensch, der Sex hat, kann sich auch mit einer sexuell übertragbaren Krankheit infizieren. Punkt. That's it. 
Genauso, wie jeder Mensch eine Magen-Darm-Grippe, oder eine Erkältung bekommen kann. Viren/Bakterien machen uns krank. Und in der Regel ist das ganze behandelbar. Wir sollten also dringend normalisieren, dass sexuell übertragbare Krankheiten weder selten, noch schmutzig, noch Zeichen von "Rumhurerei" sind. 
von Fushicho / Paarberatung 23 Jan., 2022
Ein häufiges Thema in meinen Beratungen ist, dass Paare berichten die verschiedenen Ebenen, die sie miteinander teilen, also zum Beispiel Eltern sein, Liebende sein, Sexualpartner sein nicht zufriedenstellend leben können.  

Oft dominiert vor allem eine funktionale Ebene und andere sinnlichere Ebenen geraten in den Hintergrund, es entsteht ein Mangelgefühl und eventuell auch Frustration. Letztere vor allem dann häufig, wenn die sexuelle Ebene nicht mehr so präsent ist.  

Besonders eine BDSM-Ebene geht im Beziehungsalltag schnell unter. Irgendwie erscheint nie der richtige Zeitpunkt oder Kontext, um jetzt in die Rollen des Dominanten/ Submissiven zu schlüpfen. Hier empfehle ich Paaren oft, Rituale zu schaffen, die ihnen ermöglichen ihr individuelles Machtverhältnis zu spüren und erleben. Sei es das Anlegen eines Schmuckstückes, das Anleinen zur Nacht, die Servier-Reihenfolge beim Abendessen, ein Kaffee der gebracht wird, ein Knien Abends vor dem zu Bett gehen, und viel mehr was möglich wäre. Solche Rituale lassen sich i.d.R. in den Alltag einbauen und schaffen so Raum sich auch Abseits einer funktionalen Rolle zu erfahren.  

Hilfreich kann außerdem sein, zunächst einmal im Rahmen der Beratung auseinander zu dividieren, welche unterschiedlichen Rollen jeder jeweils überhaupt inne hat, was diese Rollen ausmacht und - im nächsten Schritt aber auch: Wie malt sich der Rolleninhaber diese Rolle aus, welche Rollenerwartungen werden aber auch an ihn gestellt. 

Dieser Abgleich von eigener Rollenvorstellung und den Rollenerwartungen des Partners führt meistens zu einem besseren Verständnis zwischen den Paaren und einer Erkenntnis, woher Konflikt-, und Streit-Dynamiken rühren. Im Anschluss daran lassen sich sowohl Wünsche und Bedürfnisse der Partner, als auch passende Situationen für die jeweiligen Rollen formulieren.
von Fushicho 19 Okt., 2021
Seit über 10 Jahren bin ich in der Welt des BDSM aktiv und habe die unterschiedlichsten Facetten dieser schillernden Welt bewundert, bestaunt, betrachtet und für mich entschieden, was ich davon toll oder persönlich nicht so toll finde. 

Und seit ein paar Jahren nutze ich dieses Wissen auch in meiner Arbeit, sei es als Fessel-Lehrerin oder als Sexual Coach. Ich finde es  persönlich sehr wichtig, als Coach in diesem Bereich nicht nur theoretisches Wissen zu haben, sondern auch Selbsterfahrung. 

Und wenn ich eine Sache sicher weiß, dann dass man nie auslernt, denn Sexualität verändert sich - im Lauf des Lebens, des Alterns, abhängig von Partnern und Lebensumständen. 

Als ich mich entschied mit meinem Partner am Workshop "Feuer" von Kristina Marlen teilzunehmen, wusste ich nur zwei Dinge: 
1.) Kristina Marlen ist eine von mir vielfach bewunderte Frau und allein deshalb wird sich lohnen von ihr zu lernen 
2.) Es würde mein erstes Mal in der Rolle der Teilnehmerin werden und ich war ziemlich nervös 

Und dann gab es auch noch eine dritte Ebene, die aber vor allem eine rein hypothetische Meta-Ebene war, nämlich die, wie mein Partner und ich wohl in der Semi-Öffentlichkeit funktionieren würden. Immerhin ist es ein ziemlich großer Unterschied, privat zu Hause in die Welt des BDSM einzutauchen, oder vor anderen - bis dato fremden - Menschen miteinander in ein intensives Spiel zu gehen. Oder sogar mit anderen? Und was wäre, wenn ich meinen Partner, den ich bisher als sehr souverän und authentisch empfand plötzlich als unsicher erlebe? Klar, das ist menschlich, aber würden wir auch damit umgehen können innerhalb unseres D/s Verhältnis und während wir gerade in einer komplett neuen Situation sind, die uns potentiell beide verunsichert? Und ist es eigentlich sinnvoll in einer so frischen Beziehung an einem Workshop teilzunehmen? 

Ich habe beschlossen, all diese Überlegungen für einen Ausflug in den Wald zu schicken und stattdessen einfach offen und frei für jede Erfahrung zu sein die zu mir kommt, denn wenn sie eines immer sicher tun, dann dich selbst weiterbringen. Gerade in der Wahrnehmung der inneren Widerstände, Grenzen und dem Gefühl des Unbehagen liegt sehr viel Kraft zu wachsen, sich selbst besser zu erkennen und sich zu entwickeln. 

Und so betrat ich Samstag Morgen den Raum und wurde direkt in eine Situation geworfen, die mich vor wenigen Jahren noch in Bedrängnis gebracht hätte. Tanzen am Morgen - einfach so - mit völlig Fremden - Jetzt - auf Knopfdruck. Und alle machten das auch ganz frei und fröhlich, während ich innerlich dachte "Bitte nicht, ich möchte mich setzen, meinen Tee trinken und in meiner Beobachter-Rolle fühle ich mich eigentlich sehr wohl". 

Ich bin nicht zum mitmachen gezwungen worden, aber die Selbstverständlichkeit und Fröhlichkeit aller Tanzenden hat mich einfach mitgerissen. Aus Tanzen wurde auf dem Boden kriechen, sich fangen, übereinander kriechen, nebeneinander, ein ganzer Haufen kriechender Menschen. Fremder Menschen! ABER ich war auch plötzlich ganz körperlich präsent. Hatte gar nicht mehr das Bedürfnis nach einer Beobachter-Rolle, sondern wurde souverän damit körperlich präsent zu sein, mich körperlich zu zeigen, auszudrücken, ganz ohne Kopf und das war eine ziemlich gute Erfahrung die mich denken ließ "Wow, das ist klug, direkt zu Beginn des Workshops mit allen Unsicherheiten brechen und die Teilnehmer mitreißen in die Körperlichkeit und die Aktivität zu gehen, damit das keine lahme Gruppe wird wo jeder erstmal nur guckt aber nichts macht". 

Ich muss an dieser Stelle aber auch ergänzen, dass es sich allein deshalb lohnen könnte, das Tanzen mitzumachen, weil Kristina Marlen ganz sicher die Königin des Körper-Ausdrucks ist und ich bereits vor JAHREN, als ich sie das erste Mal auf einer EURIX (European Rigger Exchange - Festival in Berlin) wahrnahm beeindruckt und ein bisschen angeturnt war, wie gut sie sich bewegt und wie sehr ihr Körper spricht, ganze große Geschichten werden da erzählt. 

Im weiteres Tagesverlauf beschäftigten wir uns mit Grenzen, vor allem damit, dass Grenzen nicht nur etwas mit Nein-Sagen zu tun haben, sondern vor allem auch mit Ja-Sagen! Es reicht nicht aus, bloß zu wissen was man alles nicht will, es ist ebenso wichtig enthusiastisch sagen zu können, was man ganz unbedingt will. Diese Übung habe ich am meisten gemocht, denn es ist ein allgemeines Problem, dass nicht nur Stellenwert in der Sexualität hat, dass Menschen sehr oft nicht wissen, was sie wirklich wollen, was ihre Herzen begehren, wozu sie im Leben AKTIV Ja sagen wollen. 
Die Übung war wichtig, um Grenzbewusstsein und Achtsamkeit im Umgang damit bei allen Teilnehmern nochmal zu schärfen, gleichwohl die Gruppe von Beginn an sehr achtsam auftrat. 

In einer anderen Übung lernten wir unsere Hände als vielfältige Schlaginstrumente kennen und da war ich persönlich überrascht auf wie viele Arten ich Schlagwerkzeuge mit meinen Händen imitieren kann. 

Der Tag endete mit einem - bewusst sportlich gehaltenen - Zirkeltraining, mehreren Stationen mit thematisch sortierten BDSM-Elementen (Flogging / Caning / Wachs / Fixierung) die man zu zweit ausprobieren konnte, um für sich rauszufinden, was einem Lust bereitet und was nicht. Für diese Übung wurde sehr viel Zeit eingeräumt, was ich sehr angenehm fand. 
Wo mein Partner und Ich am Vormittag die Chance genutzt hatten uns auch mit anderen Menschen auszuprobieren (denn wir waren das einzige Paar, dass mit bestehender D/s Konstellation in den Workshop kam) und diese Chance auch sehr genossen haben, denn man lernt mehr, wenn man aus Mustern ausbricht und neue Dinge mit unbekannten Menschen vorsichtig und langsam ausprobiert, haben wir das Zirkeltraining gemeinsam gemacht. Denn es sollte uns in unserer Beziehung Aufschluss darüber geben, was wir miteinander intensiver ausprobieren wollen. UND ich persönlich hätte mir gar nicht vorstellen können in eine - teilweise mit Schmerz verbundene - Intensität mit anderen Menschen zu gehen, in mir wäre es nur zu Abwehrreaktion gekommen, was einerseits daran liegt, dass ich nicht masochistisch bin (der Schmerz selber löst in mir keine Lust aus - nie / einzig und allein dass ich das FÜR jemanden aushalten möchte/muss, dass jemand mich dazu zwingt, usw. bereiten mir Lust) und andererseits daran, dass ich - wie ganz viele Menschen - auch traumatische Anteile in mir habe, die es mir schwer machen, in eine solche körperliche Intensität mit Fremden zu gehen. 
Das war aber völlig unproblematisch, dass wir dort dann als Paar interagiert haben und für uns super aufschlussreich im Labor-Modus zig Spielzeuge auszuprobieren und zu bewerten. 

Kristina Marlen und ihr* Partner* waren die ganze Zeit über präsent, in ruhiger, zulassender, Raum gebender Art und Weise. Jederzeit ansprechbar, aber nie aufdrängend.
In den Demonstrationen - die wirklich schwierig für Workshopleiter sind, denn ad hoc mit seinem Partner in eine intime Situation switchen und währenddessen einem Kurs auch noch etwas erklären, ohne die Aufsichts-, und Fürsorgepflicht gegenüber dem Partner zu vernachlässigen ist schwer - waren beide so wunderbar echt, nahbar, witzig und das tat gut, denn BDSM muss wirklich nicht so ernst sein, es ist auch nur eine Facette der Sexualität, bei der man lachen und Spaß haben darf. 

Die Stimmung im Raum war leicht, annehmend, frei, sexpositiv, neugierig, geschwängert von "Ah's" und "Oh's" und fiependen und stöhnenden Lauten. Ein ganz wunderbarer Raum! 

Mein Abend setzte sich intensiv fort, denn der Tag war so anregend, dass mein Partner und Ich zwar müde und körperlich erschöpft waren, aber dennoch nicht davon abgehalten werden konnten, noch eine sehr intensive Session miteinander zu teilen. 

Tag zwei begann erneut mit Tanzen und aufwärmen (ich hatte mich nun schon damit angefreundet, ein schneller Prozess :-) ) um sich dann den Techniken des Floggings zu widmen. In unterschiedliche Teil-Übungen aufgedröselt bekam jeder Teilnehmer die Möglichkeit sich an beiden Enden des Floggers zu erleben. 

Ein theoretischer Vortrag zu Pain-Processing und sich daran anschließende Mikro-Übungen zur körperlichen Erfahrung vervollständigten die Toolbox um dann nach der Mittagspause gerüstet zu sein, für eine "richtige" Session. Alle Workshop-Teilnehmer zogen sich sexy Klamotten an (wobei ich kritisch anmerken müsste, dass die Männer da sehr viel Luft nach oben hatten, diese blieben nämlich mehrheitlich im Sport-Outfit *zwinker*) und richteten sich Session-Plätze ein mit ihren Wunsch-Tools, die sie verstärkt ausprobieren und einsetzen wollten. Der dominante Part, war jetzt in völliger Service-Rolle, es sollte nicht darum gehen, dass der dominante Part seine Fantasien durchsetzt, sondern den empfangenen Part damit beschenkt, dessen Fantasien zu bedienen. 
Der Raum füllte sich wieder mit Wärme, Stöhnen, den Geräuschen der Peitschen und Paddle und ich selber driftete mit meinem Partner in eine sehr tiefe, sehr ergreifende Session, in der wir vor allem lernten, dass wir auch komplizierte Flugmanöver, kurzentschlossenes Umlenken bei Gefahr des Flugzeugabsturzes, Steilstart und Segelfliegen beherrschen. Ich belasse es an dieser Stelle metaphorisch, aber es war eine gute Erfahrung zu spüren: Wir vertrauen einander so sehr, dass wir hier ganz öffentlich miteinander in eine Edgeplay-Session gehen, wir können Unsicherheiten gemeinsam aushalten, wir können beide auch innerhalb einer Session für uns selber einstehen und uns mitteilen (das war für mich neu, dass ich auch völlig weg gespacet kurz auftauchen und mich klar artikulieren kann, was ich brauche oder wo mein Problem liegt, um dann wieder abzutauchen) und wir wollen das vor allem beide ganz aus unseren Herzen heraus, ganz aus uns selbst heraus motiviert. 

Ich bin - beyond words - dankbar für diese tolle Erfahrung. Kristina Marlen wird jetzt auf noch viel mehr Arten und Weisen von mir bewundert, gleichzeitig habe ich aber auch auf Augenhöhe sehen können, wie ähnlich unsere Ziele und Visionen oft sind, war dankbar als halbe Kollegin trotzdem ganz privat in diesem Kurs sein zu dürfen (und nein, das ist leider nicht selbstverständlich, dass es unter Kollegen ohne Umstände möglich ist in deren Didaktiken und Ansätze reinzuhören/ reinzuprobieren). 

Ich habe - und das war mir aber vorher aufgrund meiner eigenen Expertise klar - persönlich nichts Neues über BDSM Tools und Plays gelernt (sehr wohl aber Einzelheiten, wie den Einsatz der Hände als Schlagwerkzeug), aber ich habe sehr viel Neues über mich, meine Wünsche im Play mit meinem jetzigen Partner, meine Möglichkeiten und Grenzen gelernt und vor allem habe ich gelernt, dass ich im Verlauf der letzten Jahre sehr bei mir selbst und meiner Sexualität angekommen bin und sehr gut für mich einstehen und sorgen kann. Eine wertvolle Spiegelung die ich mitnehmen darf. 

Obwohl ich also nicht die primäre Zielgruppe dieses Workshops war, war er sehr bereichernd für mich. 


DANKE! An Kristina Marlen, Partner*, ihr Team, die Workshop-Teilnehmer, meinen Partner und auch an mich selbst. 


Mehr zu Kristina Marlen:  https://www.marlen.me  (Das Bild stammt auch von ihrer Homepage) 
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